Herzfrequenz
GIBT ES EINE OPTIMALE HERZFREQUENZ ?
Definitionsgemäß wird für den erwachsenen Menschen in den meisten Lehrbüchern eine Herzfrequenz (HF) in Ruhe im Bereich zwischen 50 und 100 Schlägen pro Minute als normal definiert.
Unberücksichtigt bleiben häufig die Bestimmungsmethode (v.a. in der Art der korrekten Messung in der täglichen Praxis), tageszeitliche Schwankungen (mit oder ohne Korrelation zum Blutdruck), der individuelle Trainingszustand oder Begleitmedikation, etc.
Zudem stellt sich die Frage nach einer optimalen HF für gesunde Menschen oder PatientInnen mit v.a. kadiovaskulären, endokrinologischen, infektiösen Erkrankungen.
Im Vergleich unterschiedlicher Spezies (ohne Winterstarre, Winterschlaf oder Winterruhe) wurde eine inverse Korrelation zwischen Lebenserwartung und HF diskutiert und als Extrembeispiele die Lebenserwartung der syrischen Springmaus der Lebenserwartung der Riesenschildkröte von über 100 Jahren bei einer HF von 5 - 15/min gegenübergestellt.
Für den Menschen zeigen Langzeitdaten über 30 Jahre der Framingham-Studie eine mit dem Lebensalter zunehmende, signifikante Korrelation zwischen Ruhe-HF und Mortalität (Am. Heart J. 1987;113:1489).
Werden PatientInnen mit Ruhepulsen von <60/min jenen >70-75/min gegenübergestellt verdoppelt sich das Mortalitätsrisiko z.B. für den plötzlichen Tod (NEJM 2005;352:1951).
Die Reduktion der HF bedingt neben der Energieoptimierung eine Verlängerung der Diastole und somit primär der Zeit für die Koronardurchblutung und die Füllung der Herzkammern.
Unabhängig von der Medikation mit ß-Blockern, Verapamil, Diltiazem oder Ivabradin hat eine Bradykardisierung bei PatientInnen mit KHK die Abnahme ischämischer Episoden und eine Verlängerung der Belastbarkeit bis zum Auftreten von angina pectoris und ischämietypischer ST-T-Senkungen im EKG zur Folge (Circ. 1990;82:1962, Circ. 1993;88:92, EHJ 2009;30:540).
Plaquerupturen treten bei HF > 80/min signifikant häufiger auf als bei niedrigeren Frequenzen (Circ.2001;104:1477).
Bei PatientInnen mit KHK ist zudem die HF in einem Bereich zwischen <62/min und >83/min als unabhängiger Prädiktor für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität dokumentiert (EHJ 2005;26:867).
Bei PatientInnen mit eingeschränkter Pumpleistung geht der Bowditch-Effekt verloren (Zunahme der Kontraktilität parallel zur HF unter Belastung) und Füllungszeit sowie ATP-Verbrauch gewinnen besondere Bedeutung.
In der Beautiful-Studie an einem Kollektiv mit ischämischer CMP wurde in der Kontrollgruppe bei einer Ausgangs-HF < versus > 70/min ein signifikanter Mortalitätsunterschied beobachtet (Lancet 2008;327:807).
Die Ergebnisse unterschiedlichster medikamentöser Studien vornehmlich zur Behandlung der systolischen Herzinsuffizienz zeigen eine eindrucksvolle Prognoseverbesserung in Korrelation zur erzielten HF-Senkung (EHJ 1999(Suppl):H64).
Wie tief soll nun bei unseren PatientInnen die HF gesenkt werden?
In der beim letzten ESC-Meeting vorgestellten Signify-Studie wurde bei PatientInnen mit KHK aufgrund der z.T. zitierten Voruntersuchungen die HF maximal medikamentös gesenkt.
Die Ergebnisse zeigen eine U-Kurve für den Ruhepuls: während HF > 80-90/min in Einklang mit früheren Daten mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verbunden sind führt eine Senkung der HF unter 45/min zu symptomatischen Bradykardien und vermehrten Studienabbrüchen, bei einer KHK CCS 2 verschlechterte sich sogar wieder die Prognose.
Aufgrund der derzeit vorliegenden Daten wäre bei PatientInnen mit KHK und/oder systolischer Herzinsuffizienz eine Ruhe-HF von 60 70/min angestrebt werden.